Massnahmen für Moose

Rote Liste 

Etwa ein Drittel der Moosarten der Schweiz ist gefährdet (Rote Liste Moose 2023). Die Ursachen für die Gefährdung sind oft bekannt. Durch geeignete Massnahmen lassen sich Moosarten fördern. Hier sind die verschiedenen Gefährdungsursachen und Fördermassnahmen für Moose nach Lebensräumen aufgelistet. Die Lebensräume werden in der Roten Liste Moose 2023 (pdf) ausführlich vorgestellt.

1. Fliessgewässer
2. Stehende Gewässer
3. Moore
4. Trockenstandorte
5. Wiesen und Weiden
6. Gebirgsrasen
7. Felsstandorte der Tieflagen
8. Felsstandorte der Hochlagen
9. Wälder und Gebüsche
10. Äcker und Rebberge
11. Anthropogene Steinfluren

 

 1. Massnahmen für Moose in Fliessgewässern

Diese Lebensraumgruppe umfasst Quellen und Fliessgewässer und ihre Ufer, Bruch- und Weichholz-Auenwälder, Alluvionen und Moränen. Ausserdem sind Kies- und Sandgruben eingeschlossen, da sie ähnliche Lebensbedingungen bieten. Für Moose sind dies wichtige Lebensräume, in denen 129 Arten ihren Schwerpunkt haben. Nahezu die Hälfte der Moosarten in dieser Lebensraumgruppe sind Rote-Liste-Arten (48 %, 62 Arten).

221_Fliessgewaesser
Das Bunte Birnmoos (Bryum versicolor) wächst auf
offenen, feuchten Sandböden und ist auf perio-
dische Störungen angewiesen.
 
Gefährdungsursachen Massnahmen

Flussverbauungen, Ufereinfassungen mit Blockwurf

Renaturierungen der Ufer an geeigneten Stellen, gleichzeitig Dynamik fördern. Vor dem Rückbau alter Verbauungen deren Wert für gefährdete Arten abklären.

Mangelnde Dynamik der Flüsse durch Regulation des Abflusses und reduzierte Restwassermengen (Wasserkraftwerke)

Erhöhung der Restwassermengen und der Dynamik. Naturnahe Alluvionen erhalten und beeinträchtigte Bereiche renaturieren.

Lange Trockenphasen und geringere Schneebedeckung durch Klimawandel

Optimale Pflege und Förderung der Lebensräume, um Populationen zu stärken, zum Beispiel durch Reduktion der Wasserentnahmen, auch im hydrologischen Einzugsgebiet. Allgemeine Massnahmen zur Verminderung des Klimawandels (Reduktion der Emission von Treibhausgasen).

2. Massnahmen für Moose in stehenden Gewässern

Neben Seen und Weihern gehören zu den stehenden Gewässern auch Röhrichte und kleine, temporäre Gewässer, die im Sommer austrocknen. Für insgesamt 22 Moosarten ist dieser Lebensraumtyp der Hauptlebensraum, wobei die meisten Arten periodisch trockenfallende Uferbereiche und wechselfeuchte Pionierfluren (Nanocyperion) im Ackerland besiedeln. Fast alle Moosarten in diesem Lebensraum sind Rote-Liste-Arten (95 %, 21 Arten) und zwei davon gelten als regional ausgestorben.  

222_Stehende_Gewaesser
Physcomitrium eurystomum wächst hier im Ufer-
bereich eines für Amphibien angelegten Teiches.
 

Gefährdungsursachen

Massnahmen

Reduzierte Pegelschwankungen der grossen Seen

Natürliche Pegelschwankungen wenn möglich wieder zulassen

Verlandung und dauerhafte Austrocknung von Tümpeln und Weihern

Natürliche Wasserstandschwankungen (sowohl zeitweise Überflutung als auch periodisches Austrocknen) zulassen; Verlandung und Zuwachsen der Uferbereiche gegebenenfalls durch periodische Pflegeeingriffe verhindern; Anlage von Weihern mit naturnahen, für Moose geeigneten Materialien

Fehlen vernässter, wechselfeuchter Stellen im Landwirtschaftsgebiet

Förderung von vernässten Stellen im Landwirtschaftsgebiet, z.B. durch Rückbau von Drainagen

In hohen Lagen: Planierung für Skipisten, Anlage von Wasserreservoiren für Beschneiungsanlagen

Bauliche Eingriffe über 2000 m ü. M. auf Verträglichkeit für Riccia breidleri prüfen

3. Massnahmen für Moose in Mooren

Die Lebensraumgruppe der Moore umfasst neben den Hoch- und Flachmooren auch die Feuchtwiesen. Insgesamt 130 Moosarten haben hier ihren Schwerpunkt. Moose weisen in Mooren oft auch eine hohe Deckung und Biomasse auf und erfüllen wichtig Ökosystemfunktionen wie Wasser- und C02-Speicherung. Hochmoore verdanken ihre Existenz einzig den Torfmoosen (Sphagnum spp.), die durch ihr kontinuierliches Wachstum in Jahrtausenden die Torfschichten der Hochmoore aufbauen. Mit 44 % (57 Arten) Rote-Liste-Arten sind die Moose der Moore überdurchschnittlich stark gefährdet.

223_Moore
Splachnum ampullaceum wächst auf Dung und
gedeiht in extensiv beweideten Mooren.
 

Gefährdungsursachen

Massnahmen

Austrocknung durch Entwässerungsgräben und Drainagen; in Zukunft durch Klimawandel noch verstärkt

Schliessen von Gräben, Entfernen von Drainagerohren; wenn möglich auch Verbesserungen im hydrologischen Einzugsgebiet

Bewirtschaftungsaufgabe in Flachmooren und Feuchtwiesen

Bewirtschaftung wieder aufnehmen (Mahd, extensive Beweidung, keine Düngung)

Nährstoffeinträge

Nährstoffpufferzonen einrichten. Atmosphärische Nährstoffeinträge nach Möglichkeit reduzieren (z.B. durch Schleppschlauch für das Ausbringen von Gülle).

4. Massnahmen für Moose an Trockenstandorten

Die Lebensraumgruppe der Trockenstandorte umfasst Pionierfluren auf Felsböden (Felsgrusfluren), wärmeliebende Trockenrasen, Grasbrachen und trockenwarme Krautsäume. Auch wenn Moose meist mit feuchten oder schattigen Lebensräumen in Verbindung gebracht werden, beherbergen Trockenstandorte überraschend viele Moosarten. Insgesamt 51 Arten kommen hauptsächlich an Trockenstandorten vor. Die Trockenstandorte weisen mit 73 % (37 Arten) den zweithöchsten Anteil an Rote-Liste-Arten auf.

 

224_Trockenwiesen
Mannia fragrans ist an ihrem aromatischen Geruch
zu erkennen. Die Art wächst nur an sonnigen,
offenen Stellen in Trockenwiesen.
 

Gefährdungsursachen

Massnahmen

Nutzungsaufgabe, Nutzungsintensivierung

Angemessene Bewirtschaftung sicherstellen (Mahd, extensive Beweidung, keine Düngung, keine Bewässerung, kein Mulchen); gegebenenfalls periodische Entbuschung

Ausdehnung des Siedlungsgebiets

Populationen gefährdeter Arten in Bauzonen erfassen und nach Möglichkeit erhalten; bei der Bauplanung sind Populationen gefährdeter Arten zu berücksichtigen

Verlust von Kleinstrukturen, z.B. durch Steinfräsen

Erhalt und Förderung von Kleinstrukturen wie Geländeunebenheiten und Steinblöcken

Nährstoffeinträge

Atmosphärische Nährstoffeinträge reduzieren (z.B. Schleppschlauch für das Ausbringen von Gülle); Nährstoffpufferzonen einrichten

5. Massnahmen für Moose in Wiesen und Weiden

Diese Lebensraumgruppe umfasst mesophile und fette Wiesen und Weiden unterhalb der Waldgrenze sowie Hochstaudenfluren und Krautsäume. Von den 26 Moosarten, die hier ihren Schwerpunkt haben sind etwa ein Viertel Rote-Liste-Arten (27 %, 7 Arten). Daneben kommen in mesophilen Wiesen und Weiden auch viele Arten vor, welche ihren Schwerpunkt in anderen Lebensraumgruppen wie Trockenstandorte, Gebirgsrasen oder Acker- und Pionierfluren haben.

225_Wiesen_Weiden
Das Kleine Goldlebermoos ist eine kurzlebige Moos-
art, die auf offene Erdstellen in Wiesen und Weisen
angewiesen ist.

Gefährdungsursachen

Massnahmen

Intensivierung der Landwirtschaft, Verlust von Kleinstrukturen, (z.B. durch Planierungen und Meliorationen), Drainagen

Erhalt und Förderung von unproduktiven, wenig gedüngten oder vernässten Randbereichen; Entfernung von Drainagerohren; Förderung von Kleinstrukturen

Seltenheit

Artspezifische Massnahmen zum Schutz der bekannten Populationen seltener Arten

 

 

 

6. Massnahmen für Moose in Gebirgsrasen

Diese Lebensraumgruppe umfasst Gebirgsrasen, alpine Windheiden und Schneeböden oberhalb der Waldgrenze. Für Moose sind dies wichtige Lebensräume, in denen 134 Arten ihren Schwerpunkt haben. Ein Viertel der Moosarten in dieser Lebensraumgruppe sind Rote-Liste-Arten (25 %, 33 Arten). Ein kleiner Teil der Gebirgsrasen ist durch die Verordnung über den Schutz der Trockenwiesen und -weiden von nationaler Bedeutung geschützt.

226_Gebirgsrasen
Ein Highlight ist die Begegnung mit Plagiobryum
demissum
. Man findet die Art aber nur selten in
lückigen alpinen Rasen, meist in Gratlagen.
 

Gefährdungsursachen

Massnahmen

Lebensraumverlust durch lange Trockenphasen, höherer Temperaturen und kürzerer Schneebedeckung durch den Klimawandel

Optimale Pflege und Förderung der Lebensräume, um Populationen zu stärken; allgemeine Massnahmen zur Verminderung des Klimawandels (Reduktion der Emission von Treibhausgasen)

Nutzungsaufgabe, Nutzungsintensivierung

Angemessene Bewirtschaftung (extensive Beweidung, kein Ausbringen von Gülle); gegebenenfalls Entbuschungen

Nährstoffeinträge aus der Luft

Reduktion der Nährstoffemissionen

 

7. Massnahmen für Moose an Felsstandorten der Tieflagen

Diese Lebensraumgruppe umfasst Felsen, Steinblöcke und Geröll unterhalb der potentiellen Waldgrenze und umfasst sowohl Standorte im Offenland als auch in Wäldern. Für Moose sind dies sehr wichtige Lebensräume, in denen 241 Arten ihren Schwerpunkt haben. Mehr als ein Viertel der Moosarten in dieser Lebensraumgruppe sind Rote-Liste-Arten (29 %, 69 Arten).
 
227_Felsen_Tieflagen
Der Lebensraum von Orthotrichum urnigerum sind
Silikatfelsen in lichten Wäldern. Die Art verschwindet
bei zu starker Beschattung.
 

Gefährdungsursachen

Massnahmen

Seltenheit

Artspezifische Massnahmen zum Schutz der bekannten Populationen seltener Arten

Lange Trockenphasen durch den Klimawandel

Optimale Pflege und Förderung der Lebensräume, um Populationen zu stärken; allgemeine Massnahmen zur Verminderung des Klimawandels (Reduktion der Emission von Treibhausgasen)

Veränderte Lichtverhältnisse in Wäldern

Je nach Zielart Felsen im Wald gezielt auflichten oder Beschattung fördern; das Auflichten sollte möglichst schonend erfolgen um das Aufkommen von Sträuchern und Brombeeren zu begrenzen

Bautätigkeit

Populationen gefährdeter Arten in Bauzonen erfassen und nach Möglichkeit erhalten; bei der Bauplanung sind Populationen gefährdeter Arten zu berücksichtigen

8. Massnahmen für Moose an Felsstandorten der Hochlagen

Diese Lebensraumgruppe umfasst Standorte auf Felsen, Steinblöcken und Geröll oberhalb der potentiellen Waldgrenze. In dieser Lebensraumgruppe haben 76 Moosarten ihren Schwerpunkt und nahezu die Hälfte davon sind Rote-Liste-Arten (46 %, 35 Arten).

228_Felsen_Hochlagen
Die Felsarten der Hochlagen, wie Schistidium
sordidum
, sind oft durch den Klimawandel gefährdet.

Gefährdungsursachen

Massnahmen

Lebensraumverlust aufgrund langer Trockenphasen, höherer Temperaturen und kürzerer Schneebedeckung durch den Klimawandel

Allgemeine Massnahmen zur Verminderung des Klimawandels (Reduktion der Emission von Treibhausgasen)

Seltenheit

Artspezifische Massnahmen zum Schutz der bekannten Populationen seltener Arten

 

 

 

9. Massnahmen für Moose in Wäldern und Gebüschen

Wälder und Gebüschformationen, die zu dieser Gruppe gezählt werden, sind sehr vielfältige Habitate und nehmen einen grossen Teil der Landesfläche ein. Sie stellen die artenreichste Lebensraumgruppe dar. Rund ein Viertel (271 Arten) der in der Schweiz bekannten Moose haben ihren Schwerpunkt in Gehölzformationen, davon sind 47 Rote-Liste-Arten (17 %). Die hohe Artenzahl von Moosen erklärt sich durch die vielfältigen Gehölzstandorte mit ihren unterschiedlichen Kleinlebensräumen und Substraten. Moose können auf dem Waldboden, an lebenden Gehölzen, auf Totholz oder auf Gestein vorkommen (letztere wurden jedoch dem Lebensraum "Felsstandorte" zugeordnet).
 
229_Waelder
Das Lorentz'sches Ölglanzmoos ist ein europäischer
Endemit. Seine Populationen müssen bei Eingriffen
in Wäldern berücksichtigt werden.
 

Gefährdungsursachen

Massnahmen

Intensive Waldbewirtschaftung: homogene Altersstruktur und standortsuntypische Artenzusammensetzung des Baumbestandes

Förderung einer ausgeglichenen Altersstruktur der Bestände inkl. alter Bäume; Erhalt von Habitatbäumen; Schaffung von Waldreservaten und Altholzinseln; Förderung standorttypischer Baumarten; schonendes Auflichten

Geringe Mengen an liegendem Totholz

Erhöhung der Mengen an liegendem Totholz, besonders ganzer Stämme

Lange Trockenphasen durch den Klimawandel

Optimale Pflege luftfeuchter Standorte, um hohe Luftfeuchtigkeit aufrechtzuerhalten; allgemeine Massnahmen zur Verminderung des Klimawandels (Reduktion der Emission von Treibhausgasen)

Seltenheit

Artspezifische Massnahmen zum Schutz der bekannten Populationen seltener Arten

Nährstoffeinträge aus der Luft

Verminderung der Nährstoffemissionen

10. Massnahmen für Moose in Äckern und Rebbergen

Neben Äckern und Rebbergen umfasst diese Lebensraumgruppe auch (sub-)ruderale Habitate wie mesophile Böschungen. Insgesamt 49 Moosarten haben hier ihren Schwerpunkt, 16 davon (33 %) sind Rote-Liste-Arten. Die Standorte sind wegen des zeitweise offenen Bodens Lebensraum für verschiedene spezialisierte Moose. Die typischen Ackermoose, wie das Acker-Schwarzhornmoos (Anthoceros agrestis, VU), sind kurzlebig und sowohl auf einen regelmässigen Umbruch des Bodens angewiesen, als auch auf eine störungsfreie Zeit. Am besten entwickeln sich Ackermoose auf Getreidestoppelfeldern, die bis weit in den Herbst hinein stehen gelassen werden.
 
2210_Aecker
Anthoceros agrestis entwickelt sich im Herbst nach
der Ernte auf Stoppelfeldern. Die Art benötigt für
ihre Entwicklung einige Wochen, in denen der Boden
nicht umgepflügt wird.
 

Gefährdungsursachen

Massnahmen

Zu früher Umbruch der Getreidefelder und Äcker nach der Ernte

Stoppelfelder oder Teile davon (insbesondere feuchte Bereiche) bis mindestens in den Oktober stehen lassen, keine Bodenbearbeitung und Düngung in dieser Zeit; Förderung und Optimierung von Biodiversitätsflächen im Ackerbau (z.B. Ackerschonstreifen, Blühstreifen)

Drainagen

Entfernung von Drainagerohren; wenigstens kleinflächig Erhalt von feuchten Bereichen; Förderung von Feuchtäckern

Verlust von Kleinstrukturen, z.B. durch Planierungen

Erhalt und Förderung von Kleinstrukturen wie Geländeunebenheiten und Steinblöcken

Intensive Bewirtschaftung von Rebbergen

Auswirkungen auf Moose untersuchen und Konzepte für die Erhaltung gefährdeter Arten entwickeln

11. Massnahmen für Moose in anthropogenen Steinfluren

Zu den anthropogenen Steinfluren gehören Mauern und Pflasterritzen. Für 19 Moosarten sind dies die Hauptlebensräume, 6 Arten davon sind Rote-Liste-Arten (32 %). Moose können an fast allen Mauern wachsen. Je nach Bauart und verwendeten Materialien beherbergen Mauern aber unterschiedlich viele Arten und sind für gefährdete Arten mehr oder weniger gut geeignet. Insbesondere das Alter der Mauern spielt eine Rolle. Lebensraum für gefährdete Moosarten bieten vor allem ältere Mauern, die ganz oder teilweise mit Kalk-Mörtel verputzt sind.

2211_Anthropogene_Steinfluren
Alte Mauern bieten vielen Arten Lebensraum. So
auch dem gefährdeten Haar-Kissenmoos.
 

Gefährdungsursachen

Massnahmen

Reinigung von Mauern und Pflasterritzen

Auf Entfernen der Moose verzichten; Sensibilisierung der Bevölkerung

Erneuerung und unsachgemässe Restauration von alten Mauern; Ausfugen von Pflasterritzen

Alte Mauern möglichst erhalten; falls Renovierung nötig schonend durchführen und Kalk-Mörtel verwenden (Hinden and Price 2013); auf Ausfugen von Pflasterritzen verzichten

Beschattung durch Überwachsen der Mauern mit Kletterpflanzen (z.B. Efeu)

Regelmässiges Zurückschneiden von Efeu und anderen Kletterpflanzen

 

Autoren: Team Rote Liste Moose 03.2021