Geschichte der Bryologie in der Schweiz
Vor 1800 – Abbildungen von Moosen
lierte Federzeichnung von Hans Weiditz (1529) aus dem Herbarium von
Felix Platter, Quelle: Burgerbibliothek Bern.
Rechts: Holzschnitt aus Brunfels (1532-37), Quelle: Botanicus
Erste Darstellung – 1529-37
Das Pressen und Trocknen von Pflanzen für die Wissenschaft wurde erst ab Mitte des 16. Jh. praktiziert. Das älteste noch erhaltene Herbarium der Schweiz (mit Belegen ab 1552) stammt vom Basler Stadtarzt Felix Platter (1536-1614). Seine Sammlung enthält neben den Pflanzenbelegen auch Holzschnitte und aquarellierte Federzeichnungen, darunter sind auch einige Moose, wie das bekannte Widertonmoos. Dieses wurde im Mittelalter als Gegenzauber-Pflanze verwendet, „wider das Antun“, als Schutz vor Hexen oder auch zur Bewahrung der Keuschheit. Erst später wurde der Name als Universal-Medizin „wider den Tod“ umgedeutet. Dieses Moos wurde auch in den Kräuterbüchern von Brunfels (1534) und Bock (1552) dargestellt. Für den Holzschnitt in Brunfels Kräuterbuch diente die Zeichnung von Weiditz als Vorlage. In den frühen Kräuterbuch-Handschriften vor der Erfindung des Buchdrucks wurden bereits moosähnliche Pflanzen als “Widerton” erwähnt und gemalt, eine sichere Unterscheidung von kleinen Farnkräutern ist aber nicht möglich.
Leonhart Fuchs (1543), Rechts: koloriert, Quelle: Waimann
Moos als Heilkraut – 1543
Kräuterbücher waren oft mit Holzschnitten illustriert, vereinzelt noch von Hand nachträglich koloriert. Das Brunnenlebermoos wurde regelmässig abgebildet. Die Vermutung seiner Heilwirkung bei Leberleiden basierte auf der Signaturenlehre. Diese bereits im Altertum gebräuchliche Ansicht der Entsprechung z.B. von Organen und Heilkräutern bei visuellen Ähnlichkeiten, war im Mittelalter sehr verbreitet und wurde unter anderem von Paracelsus (1493-1541) in Europa konkret formuliert. Die Signaturenlehre ist auch eine Grundlage der Homöopathie. Das abgebildete lappige und glänzende Brunnenlebermoos sieht einer Leber tatsächlich ähnlich. Leonhart Fuchs empfahl es unter anderem als Mittel gegen Gelbsucht: "Mit hönig vermischt und angestrichen vertreibt es die bösen farb denen so die geelsucht gehabt haben."
kript von Conrad Gessner (1563), Quelle: Zoller & Steinmann 1987/1991
Frühe wissenschaftliche Illustration – 1563
Wohl auch angeregt durch die Naturdarstellungen von Albrecht Dürer (1471-1528) und seinen Schülern zeigen die Bilder in Conrad Gessners Manuskript zur Pflanzenwelt eine bestechende, vorher kaum dagewesene Detail- und Naturtreue. Viele der Bilder sollen von Gessners eigener Hand stammen, ein Teil aber auch von seinen Schülern. Das dargestellte Fluss- oder Quellmoos wächst im Wasser flutend. Gessner schreibt in den Bemerkungen zur Illustration: "Limmat, oberhalb der Paradyssmüli, zwischen den Steinen im Zürichsee, Mitte Mai 1563". Die dargestellte Art ist mit grosser Sicherheit Fontinalis antipyretica. Der Artname bedeutet „gegen brennende Hitze“ und wurde als „gegen Fieber wirksam“ („Fieber-Flussmoos“) auch falsch gedeutet. Linné nannte es antipyretica weil "dieses Laubmoos, wenn es unter Gemäuer, besonders die Caminenmauer, genommen wird, dem um sich greifenden Feuer widersteht."
Muralt: Eydgnössischer Lust-Garte (1715)
Veraltete Darstellung – 1715
Trotz immer präziseren Naturbeobachtungen wurden die relativ groben Holzschnitte der Kräuterbücher zum Teil bis ins 18. Jh. als Abbildungen von Pflanzen weiterverwendet. Der Eydgnössischer Lust-Garte von Johannes von Muralt (1715) greift beispielsweise auf Holzschnitte aus Mattiolis Dioskorides-Kommentar von 1554 zurück. Auch die Unterscheidung von Moosen gegenüber Flechten, Farnen oder Blütenpflanzen mit unscheinbaren Blüten blieb lange ein Problem, das erst Ende des 18. Jh. dank Detailmerkmalen gelöst wurde. Das abgebildete Lebermoos wird hier noch als Lichen (Flechte) benannt.
Enumeratio (1742), Quelle: Burgerbibliothek Bern
Kupferstiche als Bestimmungshilfe – 1742
Präzise Kupferstiche ergänzen bei einigen weniger bekannten Arten die detaillierten wissenschaftlichen Beschreibungen der Pflanzen in Hallers Flora der Schweiz. So sind auch 15 Moose illustriert. Haller ordnete seine 133 Moosarten 11 verschiedenen Gattungen zu, Hypnum und Bryum bildeten die grössten Gruppen. Er verwendete konsequent als Namen differenzierende Kurzbeschreibungen, sogenannte Polynome. Die hier abgebildete Art nannte er Hypnum caule plano, foliis distichis ovatis, nitidis, transversim undulatis, operculis aristatis. Sie heisst heute Neckera crispa (Krausblättriges Neckermoos). Haller lehnte die von seinem Zeitgenossen Linné eingeführten, zweiteiligen Kurznamen als zu ungenau ab. Die Namen, die seine Vorgänger einer Art gaben, waren ihm aber wichtig, beim Neckermoos zitiert er Dillen (1741) und Morison (1680-1699) und sogar Caspar Bauhin mit dem Prodromus Theatri botanici von 1620.
halleriana, Rechts: Hedwigia ciliata, Quelle: Botanicus
Mikroskopiert und koloriert – 1787
Die Moos-Abbildungen in Hedwigs Werken sind koloriert und haben oft auch Zeichnungen von mikroskopischen, zur Unterscheidung wichtigen Merkmalen. Die abgebildete Art wurde von Albrecht von Haller entdeckt und erstmals beschrieben. Da er jedoch keinen zweiteiligen Artnamen verwendete, gilt er heute nicht als Erstbeschreiber. Hedwig hat Hallers Entdeckungen und Vorarbeiten gewürdigt und nach ihm unter anderem die hier illustrierte Bartramia halleriana (Hallers Apfelmoos) benannt. Die rechts abgebildete Art ist ein Vertreter der nach Hedwig benannten Gattung Hedwigia. Nach ihm wurde auch die 1852 erstmals erschienene Zeitschrift "Hedwigia" benannt, die seit 1959 bis heute unter dem Namen "Nova Hedwigia" erscheint.
Literatur
Autor: L. Lienhard 3.2012